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Berechnung der Schärfentiefe

Berechnung der Schärfentiefe: Mythen

Mythos bedeutet hier das gleiche wie "Ammenmärchen" (Fremdwörterduden), eine falsche Vorstellung. Vermutlich existieren die Schärfentiefe-Mythen, da sie wieder abgeschrieben und nacherzählt wurden und nicht überprüft. Hier wird dies nachgeholt mit Hilfe der Schärfentiefe-Formeln. In allen Fällen ist (mir) der Ursprung nicht bekannt.

Mythos: Die Schärfentiefe geht 1/3 vor bis 2/3 nach der Entfernungseinstellung

Verteilt sich die Schärfentiefe wirklich zu 1/3 vor der eingestellten Entfernung und zu 2/3 danach? Einfacher ausgedrückt: Ist sie nach hinten doppelt so groß wie nach vorne (2/3 sind das Doppelte von 1/3)? Stelle ich die Entfernung auf 5 Meter ein und die Schärfentiefe beginnt bei 4 Meter, geht sie dann bis 7 Meter (5 m - 4 m = 1 m, 1 m * 2 = 2m, 5 m + 2 m = 7 m)?

Die Schärfentiefe geht sicher nicht von vor bis nach der Entfernungseinstellung, wenn sie bis Unendlich reicht — das ist klar. Wie sieht es aus, falls sie nicht bis Unendlich geht? In diesem Fall ist die Behauptung auch falsch.

Folgende drei Tabellen belegen das. Sie wurden berechnet für drei gebräuchliche Brennweiten. Für jede Brennweite wurde für unterschiedliche Gegenstandsweiten bei verschiedenen Blenden das Verhältnis berechnet, das stets annähernd 2 sein sollte (2/3 : 1/3 = 6/3 = 2 oder einfacher: 2/3 sind das Doppelte von 1/3), damit die Aussage stimmt.

Jede Tabelle listet die Verhältnisse auf für 4 Blenden und 7 Gegenstandsweiten (10-, 20-, 30-, 40- 60- 100-fache Brennweite), gerundet auf eine Nachkomma-Stelle. Der Bereich nach der Gegenstandsweite wurde berechnet mit der Formel 1.16 für den Fernpunkt der Schärfentiefe – er ist die Strecke Fernpunkt minus Gegenstandsweite. Der Bereich vor der Gegenstandsweite wurde berechnet mit der Formel 1.11 für den Nahpunkt der Schärfentiefe – er ist die Strecke Gegenstandsweite minus Nahpunkt. Als Zerstreuungskreisdurchmesser wurde 1/30 mm benutzt. Geht die Schärfentiefe bis Unendlich, steht in den Tabellen ∞.

Tabellen

Tabelle 1.1: Verhältnis Schärfentiefe nach Gegenstandsweite zu Schärfentiefe vor Gegenstandsweite, Brennweite 24 mm. Steht in der Tabelle beispielsweise "1,1", ist die Schärfentiefe hinter der eingestellten Entfernung 1,1 mal größer als davor. Wäre das Verhältnis 2/3 zu 1/3, sollte überall annähernd 2 stehen (2/3 : 1/3 = 6/3 = 2 oder einfacher: 2/3 sind das Doppelte von 1/3), was nicht der Fall ist.
Gegenstandsweite ►
Blende ▼
0,25 m 0,5 m 0,75 m 1 m 1,5 m 2,5 m 5 m
2,8 1,1 1,2 1,3 1,4 1,6 2,3 9,3
4 1,1 1,2 1,4 1,6 2 3,7
8 1,2 1,6 2 2,6 5,3
11 1,3 1,9 2,7 4,3 32,1
Tabelle 1.2: Verhältnis Schärfentiefe nach Gegenstandsweite zu Schärfentiefe vor Gegenstandsweite, Brennweite 50 mm. Steht in der Tabelle beispielsweise "1,1", ist die Schärfentiefe hinter der eingestellten Entfernung 1,1 mal größer als davor. Wäre das Verhältnis 2/3 zu 1/3, sollte überall annähernd 2 stehen (2/3 : 1/3 = 6/3 = 2 oder einfacher: 2/3 sind das Doppelte von 1/3), was nicht der Fall ist.
Gegenstandsweite ►
Blende ▼
0,5 m 1 m 1,5 m 2 m 3 m 5 m 10 m
2 1 1,1 1,1 1,1 1,2 1,3 1,7
5,6 1,1 1,2 1,2 1,3 1,6 2,2 6,8
8 1,1 1,2 1,4 1,5 1,9 3,2
11 1,1 1,3 1,5 1,8 2,5 6,3
Tabelle 1.3: Verhältnis Schärfentiefe nach Gegenstandsweite zu Schärfentiefe vor Gegenstandsweite, Brennweite 100 mm. Steht in der Tabelle beispielsweise "1,1", ist die Schärfentiefe hinter der eingestellten Entfernung 1,1 mal größer als davor. Wäre das Verhältnis 2/3 zu 1/3, sollte überall annähernd 2 stehen (2/3 : 1/3 = 6/3 = 2 oder einfacher: 2/3 sind das Doppelte von 1/3), was nicht der Fall ist.
Gegenstandsweite ►
Blende ▼
1 m 2 m 3 m 4 m 6 m 10 m 20 m
2,8 1 1 1,1 1,1 1,1 1,2 1,5
4 1 1,1 1,1 1,1 1,2 1,3 1,7
8 1,1 1,1 1,2 1,2 1,4 1,7 3,3
11 1,1 1,1 1,2 1,3 1,6 2,1 6,4

Die Verteilung 2/3 : 1/3 = 2 wird nur selten erreicht, auch wenn man rundet. Das einzige, was sich für Nicht-Nahaufnahmen sagen lässt, ist (Nahaufnahmen sind Abbildungsmaßstäbe ab 1:10 bis 1:1, was für Entfernungen ab ungefähr der 10-fachen Brennweite und weniger zutrifft, bei 50 mm ab 0,5 m und weniger): Vor der eingestellten Entfernung ist der Bereich kleiner als danach (Bereich danach dividiert durch Bereich davor ist größer als 1). Gleich ist die Verteilung, wo eine 1 in den Tabellen steht. Bei näheren Entfernungen ist die Schärfentiefe nach vorne und hinten eher gleich (hinten etwas mehr), bei kleinen Blenden (große Blendenzahlen) und weiteren Entfernungen ist die Schärfentiefe hinter der eingestellten Entfernungen größer als doppelt so groß.

Da zum Zeitpunkt der Veröffentlichung 1997 einfacher, benutzte ich für die Berechnung die Gegenstandsweite anstelle der Entfernungseinstellung. Das spielt keine signifikante Rolle bei üblichen Aufnahmeentfernungen im Meterbereich. Als Beispiel habe ich mit dem Schärfentieferechner für ein 50 mm-Objektiv die Schärfentiefe bezüglich der Entfernungseinstellungen ausgedruckt in eine PDF-Datei. Dort können Sie zum Beispiel bei einer Entfernungseinstellung von 5 Metern für Blende 8 lesen, dass die Schärfentiefe von 3,30 m bis 10,42 m geht bezogen auf das Kleinbildformat. Die Schärfentiefe vor der Entfernungseinstellung ist 1,70 m (5 m - 3,30 m), danach 5,42 m (10,42 m - 5 m). Das Verhältnis 5,42 m / 1,70 m ist 3,19 – das ist auf eine Nachkommastelle gerundet gleich wie oben in der Tabelle für die Gegenstandsweite (3,2). Wäre die Schärfentiefe nach vorn halb so groß, sollte sie nur bis 8,40 m reichen (5 m + 2 × 1,70 m). Der Vollständigkeit halber habe ich für die gleiche Brennweite und Aufnahmeformat die Tabelle für Gegenstandsweiten als PDF-Datei beigefügt.

Sie können die Verteilung der Schärfentiefe ohne Personal Computer nachprüfen

Nehmen Sie die Schärfentiefentabelle aus der Gebrauchsanleitung eines Objektivs. Für alle Schärfentiefen, die nicht bis Unendlich gehen, können Sie die Aufteilung leicht selbst nachprüfen: Lesen Sie für eine bestimmte Blende und Entfernungseinstellung einen Bereich ab. Für ein 50 mm-Objektiv und der Entfernung von 1,2 Meter erstreckt sich die Schärfentiefe bei Blende 1,4 beispielsweise von 1,18 Meter bis 1,22 Meter, das heißt je 2 cm davor und 2 cm danach. Teilen Sie die Schärfentiefe hinter der eingestellten Entfernung – 0,02 m – durch jene davor – 0,02 m –. Im Beispiel erhalten Sie das Verhältnis 0,02 / 0,02 = 1, was klar ist, da hier die Schärfentiefe nach hinten und vorne gleich ist. Führen Sie das für alle Blenden und Entfernungen durch. Ich habe das für Sie erledigt für das Objektiv Nikon AF Nikkor 50mm f/1.4D. Die Schärfentiefetabelle und die Ergebnisse sind in der folgenden Abbildung zu sehen.

Abbildung: Verhältnis der Schärfentiefe nach hinten zur Schärfentiefe nach vorn anhand der Schärfentiefetabelle des "Nikon AF Nikkor 50mm f/1.4D", gerundet auf eine Nachkommastelle (Klicken/Tippen für größere Version). In roter Handschrift steht rechts neben den Schärfentiefebereichen das Verhältnis der Schärfentiefe nach hinten zur Schärfentiefe nach vorn bezüglich der eingestellten Entfernung. Beispiel: Ist das Objektiv auf 1,5 m eingestellt, geht die Schärfentiefe bei Blende 2 laut Tabelle von 1,45 bis 1,55 m. Das Verhältnis ist 0,05 m / 0,05 m = 1 ((1,55 m - 1,50 m) / (1,50 m - 1,45 m)). Die Differenzen für zwei Nachkommastellen sind im Kopf "bequem" zu berechnen: Lasse ich die Kommas weg – das ist eine Multiplikation mit 100, habe ich Zentimeter statt Meter: (155 - 150) / (150 - 145) = 5 / 5 = 1. Ich brauche in den Taschenrechner nur die im Kopf berechneten Differenzen zu dividieren, statt viele Klammern, Ziffern und Operatoren einzugeben (wobei das im Falle von 5/5 überflüssig ist). Statt beispielsweise "(1,74-1,5)/(1,5-1,32)" tippe ich "24/18" ein: (174-150)/(150-132) = 24/18. Bei drei Nachkommastellen lasse ich ebenso das Komma weg (Millimeter statt Meter, Multiplikation mit 1.000): Entfernung 0,45 m = 450 mm. Schärfentiefe 0,446 m - 0,454 m = 446 mm - 454 mm → 4/4.

Laut Schärfentiefetabelle der Gebrauchsanweisung für das Nikon AF Nikkor 50mm f/1.4D ist in praktisch keinem Fall das Verhältnis der Schärfentiefe nach hinten zur Schärfentiefe nach vorne annähernd 2/3 zu 1/3 = 2. Die Verteilung – die Schärfentiefe nach hinten ist doppelt so groß wie jene nach vorn – wird in nur wenigen Fällen ungefähr erreicht.

Der Autor, der als erstes diesen Mythos in Umlauf brachte, hatte vielleicht vorausgesetzt, dass meistens mit Blenden-/Entfernungskombinationen fotografiert wird, für die das Verhältnis ungefähr passt oder signifikant abweichende Schärfentiefetabellen benutzt oder nicht nachgerechnet. Andere, die den Mythos weiter verbreiteten, verließen sich auf diese Information – Nachrechnen kostet einigen Einsatz und Zeit.

Fazit: Die Aussage: "Die Schärfentiefe erstreckt sich von 1/3 vor bis 2/3 nach der eingestellten Entfernung", ist falsch und als Faustregel unbrauchbar (Es gibt wenige Blenden-/Entfernungskombinationen, bei denen dies zutrifft). Bei Nicht-Nahaufnahmen (Abbildungsmaßstab kleiner als 1 : 10) ist die Schärfentiefe vor der eingestellten Entfernung geringer als danach – je größer die Entfernungseinstellung, desto größer der Unterschied.

Mythos: Die Schärfentiefe hängt nur vom Abbildungsmaßstab ab

Der Abbildungsmaßstab anhand der Gegenstandsweite kann berechnet werden mit Die Gegenstandsweite für einen bestimmten Abbildungsmaßstab ist . Man kann die Gegenstandsweite in der Schärfentiefe-Formel durch den Abbildungsmaßstab ersetzen — aber nicht alleine durch diesen, auch die Brennweite ist ein Faktor, übt Einfluss aus. Damit hängt die Schärfentiefe nicht alleine vom Abbildungsmaßstab ab.

Setzt man für und ein in die Formeln für den Nahpunkt (1.11), Fernpunkt (1.16) und die gesamte Schärfentiefe (1.19), erhält man nach Umformen die Formeln:

(1.26)

(1.27)

(1.28)

In den zwei unteren Tabellen, jede für eine andere Blende, wurde die Schärfentiefe berechnet für 4 Brennweiten und 5 Abbildungsmaßstäbe (Zerstreuungskreisdurchmesser ). Anmerkung: Die Gegenstandsweite pro Abbildungsmaßstab braucht man nur einmal berechnen und kann sie fortan einfacher für andere Brennweiten ermitteln: Ändert sich die Brennweite um einen Faktor (), wird mit dem gleichen Faktor multipliziert, bleibt der Abbildungsmaßstab gleich bei verschiedenen Gegenstandsweiten ( ): Die Brennweiten sind in den Tabellen ganzzahlige Vielfache der kleinsten Brennweite.

Tabelle 1.4: Schärfentiefe in Meter bei gleichen Abbildungsmaßstäben für verschiedene Brennweiten, Blende 2,8.
Brennweite ►
 Abbildungsmaßstab▼
25 mm 50 mm 200 mm 1000 mm
2 0,00014 0,00014 0,00014 0,00014
1 0,00037 0,00037 0,00037 0,00037
0,1 0,02056 0,02054 0,02053 0,02053
0,01 2,19066 1,95340 1,88945 1,88550
0,001 238,87 188,50
Tabelle 1.5: Schärfentiefe in Meter bei gleichen Abbildungsmaßstäben für verschiedene Brennweiten, Blende 11.
Brennweite ►
 Abbildungsmaßstab▼
25 mm 50 mm 200 mm 1000 mm
2 0,00055 0,00055 0,00055 0,00055
1 0,00147 0,00147 0,00147 0,00147
0,1 0,08244 0,08110 0,08069 0,08067
0,01 16,02404 7,66427 7,41664
0,001 848,08729

Aus den Tabellen lässt sich ablesen: Ist der Abbildungsmaßstab 1 : 1 oder größer, gilt die Aussage. Bei 1 : 10 und Blende 11 ist beim 25 mm-Objektiv die Schärfentiefe fast 2 mm größer als beim 1000 mm-Objektiv — bei 1 : 10 ist die Schärfentiefe nicht signifikant abhängig von der Brennweite. Spätestens ab 1 : 100 stimmt die Aussage nicht mehr: Bei Blende 2,8 hat man mit 25 mm gut 30 cm mehr Schärfentiefe als mit 1000 mm. Ab 1 : 1000 wird der Unterschied noch größer.

Fazit: Ab Abbildungsmaßstab 1 : 1 und größer kann man behaupten, dass die Schärfentiefe nur vom Abbildungsmaßstab abhängt. Bis zum Abbildungsmaßstab 1 : 10 gilt das hinreichend genau. Bei kleineren Abbildungsmaßstäben und kleineren Blenden ist dies zunehmend weniger der Fall.

Letzte Bearbeitung: 31.05.2018.