Erste News über Schärfentiefe in de.alt.fotografie

## CrossPoint v3.02 ##
Empfaenger : /ARCHIV-FOTOGRAFIE
Absender   : Elmar@neugi.incubus.sub.org  (Elmar Baumann)
Software   : CrossPoint v3.02 R/C8309
Betreff    : Schaerfentiefe berechnen
Datum      : So 23.10.94, 02:13
Groesse    : 6510 Bytes
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## Nachricht am 23.10.94 archiviert
## Ursprung : /de/alt/fotografie

Hallo an alle,

durch die eine Nachricht in dieser Newsgroup bin ich auf die Idee
gekommen, die Schaerfentiefe einmal selbst herzuleiten, weil sie eine der
wenigen Foto-Formeln ist, die ich noch nicht selbst hergeleitet habe. Als
ich das Ergebnis mit zwei Buechern, die leider keine Herleitung enthalten,
verglich, stimmte es damit ueberein. Deshalb will ich es hier
veroeffentlichen.

Idee: Ein Gegenstandspunkt auf der optischen Achse projiziert auf der
Bildseite ebenfalls auf der optischen Achse einen Bildpunkt. Wenn die
Bildebene nicht genau in diesem Punkt liegt, erzeugt der Gegenstandspunkt
ein Scheibchen auf der Bildebene. Der Durchmesser des Scheibchens, genannt
Zerstreuungskreisdurchmesser, haengt vom Winkel an der Spitze des
Strahlenkegels und dieser von der Blendenoeffnung ab.

Ich betrachte folgenden Fall: Von einem bestimmten Bildpunkt auf der
optischen Achse geht ein Strahl zur Blendenkante. Dabei schneidet er die
Bildebene (Film). Der Abstand des Schnittpunkts zur optischen Achse darf
hoechstens so gross sein wie der Radius des maximalen
Zerstreuungskreisdurchmessers. Aufgrund des Aufloesungsvermoegens des
menschlichen Auges und des Betrachtungsabstandes vom Bild (in etwa
Diagonale) darf der Zerstreuungskreis eine Scheibe mit Durchmesser von
etwa 1/1000 bis 1/1500 der Bildformatdiagonalen sein. Bei Kleinbild wird 1/
1500 gewaehlt oder etwa 1/30 mm.

Wenn man nun von der Blendenkante aus einen Strahl zieht, der die
Bildebene schneidet, muss ein bestimmter Winkel Alpha eingehalten werden,
damit der Abstand Schnittpunkt – Bildebene dem Radius des maximal
zulaessigen Zerstreuungskreisdurchmessers entspricht. Kennt man diesen
Winkel, ist es moeglich, den Abstand Bildebene – Schnittpunkt dieses
Strahls mit der optischen Achse zu ermitteln und damit die Bildweite fuer
diesen Bildpunkt. Aus der Bildweite errechnet sich dann die
Gegenstandsweite. Es gibt zwei solcher Bildpunkte: Einer vor und einer
hinter der Bildebene zu einer bestimmten Entfernungseinstellung.

Groessen:

b  := Bildweite fuer eine bestimmte Entfernungseinstellung

b' := jeweils die Bildweite zu einem Gegenstandspunktes vor oder hinter
      der Einstellebene (Entfernungseinstellung)

g  := Gegenstandsweite, am Objektiv eingestellte

gv := Gegenstandsweite des vordersten Gegenstandspunktes, dessen Bild den
      maximal zulaessigen Zerstreuungskreisdurchmesser nicht
      ueberschreitet

gh := wie gv, nur hinterster Gegenstandspunkt

z  := Durchmesser des Zerstreuungskreises

r  := Radius der Blende

d  := Durchmesser der Blende

f  := Bildseitige Brennweite (Objektivbrennweite, wie auf Fassung
      graviert)

k  := Blendenkennziffer (Zahl auf Objektiv eingraviert)

Aus der Linsengleichung 1/f = 1/g + 1/b ergibt sich fuer b und g:

    fb          fb
b = --- ;   g = ---
    g-f         b-f

Der Blendendurchmesser (genauer Eintrittspupillendurchmesser) ist
Brennweite durch Blendenkennziffer:

    f
d = -
    k

Fuer den Vordergrund-Gegenstandspunkt gv, der gerade noch den maximal
zulaessigen Zerstreuungskreisdurchmesser erzeugt, gilt:

Skizze:

        Strahl ****
               |   ****         | Bildebene
               |       ****     |
               |           **** |
            r  |               ****
               |              z |  ****
               |              - |      ****
               |              2 |          ****
               |      b'        |   x   (Alpha ****
optische Achse ------------------------------------*----------------------
                             b

b' = b + x

             z    r - z/2                  z                 z
tan(Alpha) = -- = -------     ==> x = ------------  =   ------------
             2x      b                2 tan(Alpha)      (2r - z) / b

Fuer 2r wird d = f/k eingesetzt, fuer b:= fg/(g-f). Mit dieser Strecke x
bildet man b'=b+x (b auch hier durch fg/(g-f) ersetzen).

Mit diesem b' ermittelt man gv:

       fb'
gv = ------
     b' - f

Das ergibt dann einen umfangreichen Bruch, nach dessen Aufloesung man
folgendes Ergebnis erhaelt:

        f^2 g
gv = -------------
     f^2 + kz(g-f)

Gleiche Vorgehensweise fuer den Hintergrund-Gegenstandspunkt:

Skizze:          ****
                 |   ****
              r  |       ****
                 |           ****
                 |       b'      ****          x    Bildebene
optische Achse ----------------------****--------------|-----------
                                        ****           | z
                                           ****        | -
                                              ****     | 2
                                                 ****  |
                                                    ****
                                                      ^
                                                      |
                                                     Alpha

b' = b - x

             2x        b        2b          2b
tan(Alpha) = --  =  -------  = -----  =  ---------
             z      r + z/2    d + z     (f/k) + z

    1                   zb
x = - z tan(Alpha) = ---------
    2                (f/k) + z

Mit x geht man in b' = b - x ein, fuer b nimmt man (f*g)/(g-f). Einsetzen
in die Gleichung gh = (f*b')/(b'-f) ergibt nach Aufloesung:

       f^2 g
gh = -------------
     f^2 - kz(g-f)

Bis auf, dass im Nenner von gh der Term kz(g-f) subtrahiert wird, sehen
die Brueche gleich aus (wenn auch deren Wert sehr differieren kann).

Die gesamte Schaerfentiefe T ergibt sich aus gh - gv. Das ist nach
Umwandlung:

          2 kzg (g-f)
T =  -----------------------
     f^2 - (kz ((g-f)/f) )^2

So, das war jetzt eine Menge Schreibarbeit (und vorher eine Menge Denk-
und Rechenarbeit). Vielleicht habe ich mich auch irgendwo vertippt. Bin
fuer jeden Hinweis diesbezueglich dankbar. Die richtige Loesung habe ich
jedenfalls auf Papier festgehalten. Eigentlich ist die Loesung gar nicht
das Wesentliche, sondern der Ansatz. Wenn jemand Fragen hat, dann bitte
nicht zur Mathematik, denn das ist einfaches Bruchrechnen (wobei man sich
bei so umfangreichen Bruechen auch einmal verrechnen kann), sondern zum
Ansatz.

Viele Gruesse von
   Elmar