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Einzelne Themen ausführlich

Ab welcher Blende wird das Bild unschärfer wegen der Beugung?

Beugung bedeutet, dass Lichtstrahlen aus ihrer ursprünglichen Ausbreitungsrichtung abgelenkt werden. Sie geschieht am Blendenrand des Objektivs. Das Resultat ist ein unscharfes Beugungsscheibchen anstelle eines scharfen Bildpunkts. Dieser Artikel enthält berechnete Grenzblenden unterschiedlicher Sensorgrößen und Auflösungen (Megapixel der Sensoren).

Abbildung: Beugung. Für eine scharfe Abbildung vereinigen sich alle Lichtstrahlen eines Gegenstandspunkts in einem Bildpunkt – einem Pixel. An der Blendenkante werden die Lichtstrahlen eines Gegenstandspunkts in eine andere Richtung gelenkt. Als Resultat entsteht ein Beugungsscheibchen, das mehrere Pixel belichtet. Bei großen Blenden ist deren Anteil zu gering für eine signifikante Belichtung. Mit zunehmend kleinerer Blende nimmt der Anteil der gebeugten Lichtstrahlen zu.

Unter Grenzblende ist die Blende zu verstehen, ab das Bild sichtbar unschärfer wird aufgrund der Beugung. Bei größeren Blenden, das heißt kleineren Blendenzahlen, hat die Beugung keinen negativen Einfluss, bei kleineren (größeren Blendenzahlen) einen zunehmend negativen. Ist die Grenzblende beispielsweise 8, verschlechtert die Beugung die Schärfe nicht, wenn beispielsweise Blende 5,6 oder 4 eingestellt sind. Blende 11 und 16 hingegen resultieren in zunehmender Unschärfe.

Die berechnete Grenze ist ein Anhaltspunkt. Letztlich spielt die Vergrößerung des Bilds eine Rolle sowie die Entfernung, aus der es betrachtet wird. Bei kleinen Vergrößerungen und größeren Betrachtungsabständen fällt die Unschärfe erst später auf. Will ich genaue Werte, komme ich an einem Test meiner Objektive nicht vorbei.

Für die Beugungsunschärfe sind die Sensorgröße und Auflösung des Sensors (in Megapixel) von Belang. Die Brennweite spielt bei gleicher Sensorgröße keine Rolle, da die Blendenzahl die Brennweite berücksichtigt: Bei doppelter Brennweite ist bei gleicher Blendenzahl, beispielsweise 4, der Blendendurchmesser doppelt so groß und die Entfernung zum Sensor etwa doppelt so weit. Damit heben sich die Unterschiede praktisch auf. Von Bedeutung sind letztlich die Größe der einzelnen Pixel, wobei angenommen wird, alle Pixel sind gleich groß, und die Größe des Beugungsscheibchens. Je kleiner ein Pixel, desto mehr Pixel können von einem großen Beugungsscheibchen (eigentlich ein Hell-Dunkel-Muster) belichtet werden und desto negativer tritt die Beugung in Erscheinung. Ist die Auflösung gleich, beispielsweise 12 Megapixel, ist ein einzelner Pixel umso kleiner, je kleiner der Sensor ist, da die gleiche Pixelanzahl auf einer kleineren Fläche untergebracht ist. Bei gleich großen Sensoren werden die einzelnen Pixel mit zunehmender Auflösung (mehr Megapixel) kleiner, da auf die gleiche Fläche mehr Pixel unterzubringen sind. Das bedeutet, von den negativen Auswirkungen der Beugung betroffen sind vor allem kleine Sensoren und/oder hohe Auflösungen.

Für die Berechnung suchte ich einige Zeit nach einer Formel, die die Sensorauflösung berücksichtigt, fand jedoch keine. Was ich fand, war ein JavaScript-Rechner. Da JavaScript im Quelltext eingesehen werden kann, habe ich daraus ein Java-Programm entwickelt, das aus Dateien Eingabewerte ausliest und für Gnuplot ausgibt. In diesem Artikel sind die Blendenzahlen des "Diffraction Limits Extinction Resolution"-Ergebnisses veröffentlicht – das Maximum an Auflösung, das die Kamera aufnehmen kann. Diese Blende ist kleiner als die größte der drei berechneten und größer als die kleinste; sie liegt in der Mitte und ist relativ praxisrelevant, wenn ich sie mit in Objektivtests selbst ermittelten Daten vergleiche.

Hinweis zum Vergleich mit dem verlinkten JavaScript-Rechner: Nur bei Vollformat sind die Ergebnisse identisch. Bei anderen Sensoren gibt es Abweichungen aufgrund unterschiedlich benutzter Zerstreuungskreisdurchmesser.

Ergänzung 19.04.2019: Ich habe den Rechner folgendermaßen erweitert: Im Gegensatz zur Originalberechnung werden die realen Sensorgrößen benutzt. Der verlinkte Rechner schließt lediglich aus dem Verhältnis des Zerstreuungskreisdurchmessers eines bestimmten Sensors zum Vollformat-Sensor-Zerstreuungskreisdurchmesser auf die Länge des Sensors und folgert dann die Höhe aus den vermutlichen Seitenverhältnissen des Sensors. Eingabe des erweiterten Rechners ist eine Textdatei mit verschiedenen Sensor-Abmessungen. Ausgabe ist eine Excel-Tabelle. In dieser stehen für jeden Sensor der Eingabedatei von 6 bis 64 Megapixel alle möglichen Grenzblenden. Sollte der Algorithmus sich ändern, ist die Tabelle schnell neu erzeugt. Weitere Sensoren können durch eine Zeile in der Textdatei hinzugefügt werden. Die aktuelle Tabelle ist hier verlinkt. Außer mit Excel kann sie auch mit Programmen wie LibreOffice/OpenOffice oder PlanMaker (SoftMaker) geöffnet werden. Die Ergebnisse weiter unten wurden noch mit dem alten Algorithmus berechnet – die Abweichungen sind gering (für Vollformat sind die Ergebnisse identisch).

Unterschiedliche Auflösungen, unterschiedliche Sensorgrößen

Die folgenden Berechnungen untersuchen, ab welcher Blende Unschärfe auftritt bei unterschiedlichen Auflösungen in Megapixel und verschieden großen Sensoren. Exemplarisch habe ich das für eine kompakte Kamera mit 1/1,7"-Sensor sowie einen Vollformat-Sensor ausrechnen lassen.

Tabelle: Grenzblenden bei 1/1,7"-Sensor mit unterschiedlichen Auflösungen.
MegapixelGrenzblende
123,1
162,7
242,2
361,8
481,5
641,3

Abbildung: Grenzblenden bei 1/1,7"-Sensor mit unterschiedlichen Auflösungen.

Tabelle: Grenzblenden bei Vollformat-Sensor mit unterschiedlichen Auflösungen.
MegapixelGrenzblende
1215,9
1613,8
2411,3
369,2
488.0
646,9

Abbildung: Grenzblenden bei Vollformat-Sensor mit unterschiedlichen Auflösungen.

Mit dem 1/1,7"-Sensor kann selbst bei relativ "geringer" Auflösung von 12 Megapixel Beugung bereits ab Blende 3,2 auftreten. Bei Vollformat ist das kein Thema. Auch bei hohen Auflösungen können noch einigermaßen kleine Blenden eingestellt werden, ohne dass Beugung zu größerer Unschärfe führt. Bezüglich der Schärfentiefe ist das nicht unbedingt negativ zu werten, da kleine Sensoren bei gleichem Bildwinkel und gleichen Blendenzahlen eine größere Schärfentiefe haben. Das kann eher ein Problem werden bei heller Sonne, wenn die kürzeste Verschlusszeit nicht ausreichend kurz ist. Interessant ist: Beide Kurven – 1/1,7"-Sensor und Vollformatsensor – sind beinahe deckungsgleich, sofern die Blende nicht berücksichtigt wird, was einer Verschiebung in horizontaler Richtung entspricht (auf der x-Achse, der Blendenachse).

Gleiche Auflösungen, unterschiedliche Sensorgrößen

Die Berechnungen unten sollen zeigen, wie sich die Sensorgröße auf die Blende auswirkt, ab der Unschärfe durch Beugung zu erwarten ist. Dazu habe ich als (stets gleiche) Auflösung 16 Megapixel benutzt.

Tabelle: Grenzblenden unterschiedlicher Sensorgrößen bei 16 Megapixel Auflösung. Das iPhone hat nicht ohne Grund weniger als 16 Megapixel Auflösung.
SensorgrößeGrenzblende
wie iPhone 7 Plus Tele1,3
wie iPhone 7 Plus Weitwinkel1,8
1/1.7"-Sensor2,7
Micro Four Thirds-Sensor6,2
APS-C-Sensor (Nikon)7,9
Vollformatsensor13,8

Abbildung: Grenzblenden unterschiedlicher Sensorgrößen bei 16 Megapixel Auflösung. Der Zerstreuungskreisdurchmesser ist 1/1.500 der Sensordiagonalen, die indirekt auf die Sensorgröße schließen lässt. Bei Vollformat wird aus historischen Gründen 0,033 mm angenommen. Je größer der Sensor (umso größer ist der Zerstreuungskreisdurchmesser), desto größer ist die Grenzblendenzahl (eine große Blendenzahl ist eine kleine Blendenöffnung).

Gut zu erkennen ist, dass bei gleicher Auflösung bei kleineren Sensoren die Beugungsunschärfe bei zunehmend größerer Blende (kleinere Blendenzahl) auftritt. Interessant ist der Graph, der annähernd eine Gerade bildet. Eine doppelt so große Sensordiagonale (etwa 4-fache Fläche) resultiert in einer doppelt so großen Blendenzahl bei gleicher Sensorauflösung.

Fazit

Beim Fotografieren sollte ich kleine Blenden nur einstellen, wenn ich die Schärfentiefe benötige und Focus Stacking keine Option ist. Ansonsten verringere ich die Bildschärfe, was insbesondere bei teuren hochwertigen Objektiven ärgerlich ist. Die berechneten Werte zeigen auch, dass regelbare Blenden in Smartphones praktisch sofort die Bildqualität verschlechtern. Eine einzige große Blende ist dort eher keine Einschränkung, sondern verhindert größere Beugungsunschärfe.

Die Grenzblende ist für jede Kamera einmalig zu ermitteln, da alleine Sensorgröße und Auflösung (Megapixel) eine Rolle spielen. Die Objektivbrennweite ist egal.

Die Beugung ist nicht zwingend für Unschärfe verantwortlich. In der Praxis spielt insbesondere die Bewegungsunschärfe eine Rolle: Die Kamera wird beim Auslösen bewegt oder erschüttert (verwackelt) oder das Motiv ist zu schnell für die Verschlusszeit. Die Entfernung könnte nicht präzise eingestellt sein oder das Objektiv hat prinzipiell keine gute Abbildungsqualität.

In der Regel ist die Bildaussage wichtiger als ein technisch optimales Foto. Wähle ich beispielsweise für "Straßenfotografie" (Street Photography) eine kleine Blende, damit ich sofort interessante Szenen einfangen kann, ohne die Entfernung einstellen zu müssen, wird wohl kaum jemand eine geringere Bildschärfe bemängeln, wenn der Inhalt fesselt. Es ist eher umgekehrt: Ein technisch perfektes Bild alleine ist uninteressant.

Die Grenzblende ist für mich relevant, wenn ich diese berücksichtigen kann, ohne dass sich dadurch die Bildaussage verschlechtert, weil ich nicht ausreichend schnell reagieren kann oder die Schärfentiefe zu klein ist. Anders ausgedrückt: Ich bemühe mich, keine kleinere Blende einzustellen und weiß, dass dies in der Praxis nicht immer möglich ist.

Elmar Baumann, 17.04.2019.

Letzte Bearbeitung: 19.04.2019.

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