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Die Blende

Die Blende: Schärfentiefe und Sensorgröße

Bei einem kleineren Sensor ist bei gleicher Entfernung, gleichem Bildwinkel und gleicher Blende die Schärfentiefe größer. Die Entfernung ist der Abstand zwischen Sensor und Motiv, grob, wie weit ich weg bin vom Motiv. Den gleichen Bildwinkel und somit den gleichen Motivausschnitt erziele ich durch eine kürzere Brennweite. An einer Micro Four Thirds-Kamera liefert ein 45 mm-Objektiv ungefähr den gleichen Motivausschnitt wie ein 90 mm-Objektiv an einer Vollformatkamera.

Ich erreiche bei gleicher Entfernungseinstellung ungefähr die gleiche Schärfentiefe, indem ich die Blendenzahl durch den Cropfaktor teile, falls das Objektiv am Crop-Sensor den gleichen Bildwinkel erzielt, das heißt falls dessen Brennweite um den Cropfaktor kleiner ist. Ist der Cropfaktor eines Sensors 2, erzielt Blende 4 annähernd die gleiche Schärfentiefe wie Blende 8 bei Vollformat (Kleinbild): 8/2 = 4.

Daran sollte ich denken, wenn ich große Blenden einstelle, damit der Hintergrund verschwimmt. Beispiel: Ich fotografiere mit einer Vollformatkamera ein Porträt mit einem 90 mm-Objektiv bei Blende 2,8. An einer Micro Four Thirds-Kamera erzielt ein 45 mm-Objektiv den gleichen Bildwinkel – der Cropfaktor ist 2. Damit ich die gleiche Hintergrundunschärfe bekomme, muss ich am Micro Four Thirds-Objektiv Blende 1,4 einstellen (2,8/2 = 1,4).

Je kleiner der Sensor ist, desto schwieriger wird es, Hintergründe und Vordergründe in Unschärfe verschwinden zu lassen, da die Brennweite für den gleichen Bildwinkel immer kleiner wird. Ich benötige dazu lichtstärkere Objektive als bei Vollformat-Sensoren. Das ist auch ein Vorteil: Für die gleiche Schärfentiefe kann ich bei kleineren Sensoren größere Blenden benutzen und erziele bei gleicher ISO-Zahl kürzere Belichtungszeiten. Das ergibt weniger Unschärfe durch Verwackeln oder durch Bewegung des Motivs.


Abbildung: Sensorgröße und Hintergrundunschärfe bei gleicher Blende und gleichem Bildwinkel. Die beiden Bilder entstanden auf unterschiedlich großen Sensoren: Smartphone-Sensor bei Blende 1,8 (iPhone 7 Plus, Diagonale ist mir unbekannt), und Micro Four Thirds-Sensor bei Blende 1,7 (Diagonale 21,64 mm). Die Entfernung war auf die Blüten im Vordergrund eingestellt (zirka ½ m). Es ist zu erkennen, dass bei den zwei verschiedenbrennweitigen Objektiven, die den gleichen Bildwinkel erzielen, bei gleicher Blende der Hintergrund auf dem größeren Sensor weniger scharf erscheint und somit ein angenehmeres Bokeh hat. Da dies in der hier gewählten Größe nicht so genau zu erkennen ist, folgen zwei 100%-Ausschnitte, die der gelbe Rahmen kennzeichnet: Zuerst Micro Four Thirds, dann Smartphone.

Abbildung: Hintergrundunschärfe durch Kamera-Software. Die Bildverarbeitungs-Software in Kameras mit kleinen Sensoren können den Hintergrund unscharf rechnen. Oben ist ein Beispiel zu sehen, fotografiert mit der iPhone 7 Plus-Kamera, zuerst ohne, dann mit "Porträt-Modus". Das Gleiche kann später ein Bildbearbeitungsprogramm durchführen. Gegen die Software-Lösung sprechen, dass das Bokeh weniger angenehm ausfällt, dass ein nachträgliches Bearbeiten viel Zeit kosten kann und dass die Software sich "verrechnen" kann (aus diesem Grund speichert das iPhone zusätzlich auch die unberechnete Variante mit ab). Dafür spricht, dass dies die einzige Möglichkeit ist, bei kleinen Sensoren Hintergründe verschwimmen zu lassen.

Technisches

Falls bei einer bestimmten Brennweite die Schärfentiefe nicht ausreicht, kann ich eine kürzere Brennweite nehmen und einen Bildausschnitt so vergrößern, dass das Bild dem der längeren Brennweite entspricht. Genau das geschieht bei kleineren Sensoren: Wir benutzen eine kürzere Brennweite, damit wir den gleichen Bildwinkel erzielen wie bei einem größeren Sensor. Der kleinere Sensor zeigt bei gleicher Brennweite gegenüber dem größeren nur einen Ausschnitt. Daraus leitet sich der englische Begriff Cropfaktor ab (to crop: "abschneiden", "stutzen").

Die Faustregel "gleiche Schärfentiefe bei Blende geteilt durch Cropfaktor" ist am genauesten bei "üblichen" Entfernungen um 1 bis 3 Meter. Als Beispiel habe ich je zwei häufig benutzte Brennweiten mit gleichem Bildwinkel gegenübergestellt. Diese wurden vom Schärfentieferechner ausgegeben.

Vorgehen:

Ausgewählte Schärfentiefen bei 17,5 mm, Micro Four Thirds-Sensor (∼ 35 mm bei Vollformat). Komplette Tabelle (Werte dieser verkürzten Tabelle sind gelb markiert).
EntfernungBlende 1,4Blende 2,8Blende 5,6
1 m 93,91 cm - 1,07 m 88,53 cm - 1,15 m 79,42 cm - 1,35 m
1,5 m 1,37 m - 1,66 m 1,25 m - 1,86 m 1,08 m - 2,46 m
2 m 1,77 m - 2,30 m 1,59 m - 2,71 m 1,31 m - 4,19 m
3 m 2,51 m - 3,73 m 2,15 m - 4,95 m 1,68 m - 14,07 m
5 m 3,76 m - 7,45 m 3,02 m - 14,59 m 2,16 m - ∞
Ausgewählte Schärfentiefen bei 35 mm, Vollformat-Sensor. Komplette Tabelle (Werte dieser verkürzten Tabelle sind gelb markiert).
EntfernungBlende 2,8Blende 5,6Blende 11
1 m 93,15 cm - 1,08 m 87,18 cm - 1,17 m 77,59 cm - 1,41 m
1,5 m 1,35 m - 1,69 m 1,23 m - 1,93 m 1,04 m - 2,67 m
2 m 1,74 m - 2,35 m 1,54 m - 2,85 m 1,26 m - 4,86 m
3 m 2,45 m - 3,88 m 2,07 m - 5,47 m 1,59 m - 26,66 m
5 m 3,63 m - 8,04 m 2,85 m - 20,54 m 2,01 m - ∞
Ausgewählte Schärfentiefen bei 45 mm, Micro Four Thirds-Sensor (∼ 90 mm bei Vollformat). Komplette Tabelle (Werte dieser verkürzten Tabelle sind gelb markiert).
EntfernungBlende 1,4Blende 2,8Blende 5,6
1 m 99,06 cm - 1,01 m 98,13 cm - 1,02 m 96,33 cm - 1,04 m
1,5 m 1,48 m - 1,52 m 1,46 m - 1,54 m 1,42 m - 1,59 m
2 m 1,96 m - 2,04 m 1,92 m - 2,08 m 1,86 m - 2,17 m
3 m 2,91 m - 3,09 m 2,83 m - 3,19 m 2,68 m - 3,40 m
5 m 4,76 m - 5,26 m 4,55 m - 5,55 m 4,17 m - 6,23 m
Ausgewählte Schärfentiefen bei 90 mm, Vollformat-Sensor. Komplette Tabelle (Werte dieser verkürzten Tabelle sind gelb markiert).
EntfernungBlende 2,8Blende 5,6Blende 11
1 m 98,96 cm - 1,01 m 97,95 cm - 1,02 m 96,04 cm - 1,04 m
1,5 m 1,48 m - 1,52 m 1,45 m - 1,55 m 1,41 m - 1,60 m
2 m 1,96 m - 2,05 m 1,92 m - 2,09 m 1,84 m - 2,19 m
3 m 2,90 m - 3,10 m 2,81 m - 3,22 m 2,65 m - 3,46 m
5 m 4,73 m - 5,30 m 4,49 m - 5,64 m 4,09 m - 6,43 m

Die größere Schärfentiefe resultiert nicht aus der geringeren Sensorgröße, sondern aus der kürzeren Brennweite. Das ist leicht zu überprüfen:

→ Die Schärfentiefe (das Bokeh) sollte auf beiden Bildern identisch sein.

Das ist leicht zu erklären: Das Objektiv projiziert ein kreisförmiges Bild. Bei beiden Kameras ist bei gleicher Entfernungseinstellung und gleicher Ausrichtung des Objektivs das Bild identisch. In beiden Fällen wird vom Bildkreis das gleiche (gleich große) Rechteck "herausgeschnitten" und anschließend auf die gleichen Abmessungen vergrößert. Die Bilder sind somit identisch. Allenfalls die Eigenschaften der unterschiedlichen Sensoren können zu mehr oder weniger subtilen Unterschieden führen.

Unten sind Bilder zu sehen, die das demonstrieren, je eines mit einer APS C-Kamera (größerer Sensor, Diagonale 28,4 mm – eine Vollformatkamera besitze ich nicht) und eines mit einer Micro Four Thirds-Kamera (Diagonale 21,6 mm, ca. 1,3 mal kleiner). Bei den Kameras wurde das gleiche Objektiv benutzt: Das Sigma 50 mm 1:2.8 DG MACRO. An der Micro Four Thirds-Kamera wurde es mit einem linsenlosen Adapter befestigt. Die Kameras waren gleich weit entfernt und das Objektiv stellte ich per Digital-Lupe der LC-Displays auf die gleiche Entfernung ein. Das erste Bild einer 3er-Serie ist das komplette Bild der APS C-Kamera mit erwartungsgemäß größererem Bildwinkel. Das folgende ist ein Ausschnitt des APS C-Sensors und schließlich kommt das Micro Four Thirds-Bild. Ein Klick auf ein Bild führt zu einer größeren Version mit 1.980 Pixel auf der langen Seite. Bearbeitet habe ich die Bilder nicht mit Ausnahme einer geringfügigen Belichtungs- und Weißabgleichs-Anpassung.

Schärfentiefe und Bokeh sind in etwa gleich unter Berücksichtigung einer gewissen Fehlertoleranz, andernfalls (ohne – unwahrscheinlich – kleine Abweichungen von Kamera-Entfernung, Blenden- und Entfernungseinstellung) weisen die APS C-Bilder geringfügig mehr Schärfentiefe auf.

Abbildung: Schärfentiefe bei Blende 2,8, Erklärung siehe oben. Eingestellt war auf die "4" des Buchrückens.

Abbildung: Schärfentiefe und Bokeh bei Blende 5,6, Erklärung siehe oben. Eingestellt war auf das mittlere der "Labyrinth-Muster".

Fazit

Benutze ich an einer Kamera mit kleinerem Sensor ein Objektiv, das den gleichen Bildwinkel erzielt wie an einer mit größerem Sensor und will bei gleicher Entfernungseinstellung die gleiche Schärfentiefe / das gleiche Bokeh erzielen wie mit dem gleichbildwinkligen Objektiv an der größeren Kamera, teile ich die Blendenzahl des Objektivs an der Kamera mit dem größeren Sensor durch den Cropfaktor. Beispiel: Ich fotografiere mit einer Vollformatkamera mit einem 100 mm-Objektiv und Blende 4. An einer Micro Four Thirds-Kamera mit dem Cropfaktor 2 erzielt ein 50 mm-Objektiv den gleichen Bildwinkel. Die gleiche Schärfentiefe erzielt dann Blende 4 durch Cropfaktor 2 = Blende 2.

Elmar Baumann, 08.04.2016

Letzte Bearbeitung: 03.03.2019.