Welche Kamera soll ich benutzen?
Welche Kamera ich benutzen sollte, hängt ab von dem, was ich fotografiere. Je nach Motiv gibt es gut geeignete Kameras, weniger geeignete und ungeeignete. Die Kamera alleine kann nichts bewirken – ich benötige, abhängig vom Motiv, bestimmte Objektive und vielleicht besonderes Zubehör. Gibt es dies nicht für eine ansonsten taugliche Kamera, kann ich sie nicht gebrauchen.
Grenzen der Beratung
Habe ich ausreichend Erfahrung und bin relativ gut in einer Sache, kann ich hilfreiche Ratschläge geben. Schauen Sie im Web Bilder an von Motiven, die Sie fotografieren und lesen Artikel von jenen, die Ihrer Meinung nach gut fotografieren oder fragen diese. Vielleicht erhalten Sie eine Antwort. Im besten Fall haben diese Fotografen mehr als ein Kamerasystem getestet und können sagen, weshalb sie ein System bevorzugen und das andere für weniger geeignet halten.
So wird ein Fotograf, der Produkte für Kataloge fotografiert vermutlich mit einer digitalen Mittelformatkamera arbeiten wollen, ein Architekturfotograf möglicherweise mit einer Großformatkamera und digitalem Rückteil.
Ich kann von zwei Bauarten berichten, für weitere fehlt mir die Erfahrung: Spiegelreflexkameras und spiegellose Systemkameras (weiter unten).
Prinzipielle Erwägungen bei der Auswahl einer Kamera
Ich berücksichtige bei der Kameraauswahl folgende Kriterien:
- Kosten (Geld)
- Verfügbarkeit von Zubehör, insbesondere Objektive
- Ergonomie (Handhabung)
- Funktionalität
Kosten (Geld)
Die Kamera ist meist nur der geringere Teil der Kosten, außer diese besitzt ein fest verbautes Objektiv und das genügt mir. Deutlich teurer können Objektive werden. Benötige ich wenige "einfache", sind die Kosten vielleicht im Budget, bei Spezialobjektiven kann sich das ändern. Fotografiere ich beispielsweise Vögel, brauche ich lange Brennweiten, enge Bildwinkel mit hoher Lichtstärke und schnellem Autofokus. Für das Kleinbildformat (Vollformat) lässt sich für ein lichtstarkes 600 mm-Objektiv leicht ein fünfstelliger Euro-Betrag ausgeben. Je mehr Objektive ich benötige und je lichtstärker diese sind, desto mehr Kosten verursacht das.
Ist das Budget zu begrenzt für meine Idealvorstellung, habe ich zwei Möglichkeiten: Ich nehme eine Kamera mit kleinerem Sensor, bei dem die Brennweite für den gleichen Bildwinkel und der nutzbare Bildkreis nicht so groß sein müssen und die Kosten somit geringer sind. Oder ich schaue mich auf dem Gebrauchtmarkt um. Als Hobbyfotograf benötige ich nicht sofort alle Objektive und kann sie über eine lange Zeit nach und nach erwerben. Vielleicht reicht es auch, ein spezielles für ein paar Tage zu mieten.
Kosten sind für die meisten Menschen ein wichtiger Faktor, auch ein Profi muss sich fragen, ob zum Erfüllen seiner Aufgabe nicht ein günstigeres Modell ausreicht. Ich behalte ich nicht alleine die Kamerakosten im Auge, sondern jene des gesamten Systems: Kameragehäuse, gegebenenfalls ein Akku-Handgriff und vor allem die Objektive.
Verfügbarkeit von Zubehör, insbesondere Objektive
Die schönste Kamera nutzt mir nicht viel, wenn ich dafür nicht die erforderlichen Objektive erhalte, beispielsweise weil ein neues Bajonett eingeführt wurde, für das es erst wenige Brennweiten gibt. Ein Adapter, der bisherige Systemobjektive anpasst, kann hier helfen. Wenn aber das Bajonett und die Kamera speziell für den Hobbymarkt konstruiert wurden, bin ich in der Regel limitiert in der Objektivauswahl.
Da heutige Kameras enorm viele eingebaute Funktionen haben, ist Zubehör häufig nicht mehr so wichtig. Es kann trotzdem für Spezialanwendungen Bedarf geben, beispielsweise eine externe Stromversorgung, wenn die Kamera für die Astrofotografie stundenlang ohne Unterbrechung durchhalten soll.
Ergonomie (Handhabung)
Die Ergonomie der Kamera steht für mich ganz vorne. Sie sollte gut in den Händen liegen, die wichtigen Funktionen, insbesondere der Autofokus leicht erreichbar sein und das, ohne die Bedienungsanleitung zu benötigen. Dazu gehören auch ein ausreichend guter Sucher zusätzlich zum LC-Display und die Verfügbarkeit von dienlichem Zubehör wie einem Akkuaufsatz mit Handgriff und Auslöser für Hochformataufnahmen. Bin ich mit der Ergonomie nicht zufrieden, kaufe ich die Kamera nicht, egal wie gut sie sonst ist.
Funktionalität
Die Funktionalität ist in vielen Fällen sekundär, da ich alle relevanten Parameter wie Blende, Verschlusszeit und ISO-Wert bei jeder Hobbykamera verändern kann. Für bestimmte Motive sind bestimmte Funktionen äußerst hilfreich: Kameras mit Gesichtserkennung und Augen-Autofokus erleichtern die Porträtfotografie sehr, ich kann mich auf die Gestaltung konzentrieren. Ein Tierfotograf hat bestimmt eine höhere Trefferrate sowie besser gestaltete Bilder, wenn er sich voll auf das Motiv konzentrieren kann, weil der Tieraugen-Autofokus zuverlässig funktioniert, die erforderliche kurze Verschlusszeit dank ISO-Automatik nicht unterschritten wird und die Serienbilder sehr schnell sind bei gut nachgeführtem Autofokus. Wer viel Makroaufnahmen fotografiert, wird wahrscheinlich eine Focus Stacking-Funktion nützlich finden. Für Aufnahmen aus der Hand bei längeren Belichtungszeiten ist ein guter Bildstabilisator hilfreich.
Sensorgröße
Je größer der Sensor, desto höher kann dieser auflösen bei geringem Bildrauschen. Für den gleichen Bildwinkel sind bei großen Sensoren längere Brennweiten erforderlich und die Objektive müssen qualitativ gut einen größeren Bildkreis projizieren. Bezogen auf die gleiche Lichtstärke und Bildqualität sind diese größer, schwerer und teurer. Bei einem gleich großen Sensor kann die Auflösung hoch sein oder das Bildrauschen minimal. Bei gleichem Bildwinkel ist die Schärfentiefe kleinerer Sensoren größer, da die Brennweite kleiner ist und diese die Schärfentiefe stärker beeinflusst als die höhere spätere Vergrößerung. Hohe Auflösungen sind gut geeignet für Ausschnittsvergrößerungen, benötigen aber viel Speicherplatz und letztlich hochwertige (teure) Objektive sowie ein solides Stativ oder extra kurze Verschlusszeiten. Ich versuche diese Faktoren abzuwägen; Megapixelangaben sind von mir frei definiert:
- Brauche ich eine sehr hohe Auflösung bei hoher Qualität und geringem Rauschen oder bin Berufsfotograf und der Auftraggeber fordert diese, wäre vermutlich ein großer Mittelformatsensor meine Wahl. Mit "hoch" meine ich Auflösungen von aktuell mindestens 60 Megapixel. Diese eignen sich auch für Fototapeten und Plakatwände oder große Bilder, die aus nächster Nähe betrachtet werden. Mindestens zwei Nachteile nehme ich in Kauf: Die Ausrüstung ist sehr teuer und schwer. Für längere Wanderungen und Schnappschüsse ist sie unpraktikabel, ebenso für Motive, die sehr lange Brennweiten erfordern, beispielsweise wild lebende Tiere.
- Brauche ich eine hohe Auflösung bei guter Qualität, ist das Vollformat (24×36 mm) sinnvoll. Für Fotos, die ich mit niedriger ISO-Zahl aufnehmen kann, würde ich eine hohe Auflösung wählen, aktuell um 40 bis 50 Megapixel. Fotografiere ich bei wenig Licht, ist ein Sensor ideal, der auch bei hohen ISO-Zahlen wenig Bildrauschen hat, dafür aber maximal um 10 bis 20 Megapixel. Diese Auflösung reicht auch für größere Ausdrucke aus. Wie zu "Analogzeiten" sind Vollformatkameras (Kleinbildkameras) ein guter Kompromiss und können vielseitig eingesetzt werden.
- Ein größerer Kompromiss sind kleinere Sensoren als Vollformat. Je kleiner der Sensor bei "akzeptabler" Auflösung (10 bis 20 Megapixel) ist, desto weniger brauchbar sind höhere ISO-Werte. Zusätzlich wird die Schärfentiefe selbst bei großen Blenden so groß, dass es immer schwieriger wird, das Motiv durch Unschärfe vom Hintergrund zu trennen. Eine Verschlechterung der Bildschärfe durch Beugung tritt bei immer größeren Blenden auf, sodass "seriöse" Kameras mit kleinen Sensoren keine kleinen Blenden mehr anbieten. Smartphones verzichten deshalb häufig auf Blenden. Lange Verschlusszeiten bei hellem Tageslicht für die Bildgestaltung lassen sich dann nur per Software-Emulation oder Graufilter erreichen. Der große Vorteil ist das geringe Gewicht. Deshalb eignen sich Kameras mit kleinen Sensoren gut für Reisen und Wanderungen, auf denen ich keine große Kamera samt Objektiven mitnehmen kann oder will. Da ich über begrenzte finanzielle Mittel verfüge und mir ein geringes Gewicht wichtig ist, benutze ich für alle Zwecke im Augenblick das Micro Four Thirds-System, dessen Sensor 1/4 der Größe des Vollformatsensors hat. Ausdrucke auf DIN A2 sind kein Problem. Das Rauschen geht für mich auch bei höheren ISO-Werten bis 1.600 in Ordnung. Faustregel: Nur gute Objektive benutzen und wenn möglich, nicht kleiner als Blende 5,6 einstellen (Schärfentiefe wie bei Blende 11 mit Vollformatobjektiv gleichen Bildwinkels, das heißt doppelter Brennweite). Objektive mit gleichem Bildwinkel bei gleicher Qualität für das Vollformat wären um das mehrfache teuer, das heißt um mehrere tausend Euro. Für APS-C habe ich mich nicht entschieden, da es weniger speziell für APS-C entwickelte verfügbare Objektive gab. Wenn ich statt dessen Kleinbildobjektive an der APS-C-Kamera befestige, habe ich nicht den wichtigen Vorteil der geringeren Kompaktheit – das Kameragehäuse soll sogar ausreichend groß sein. Objektive bringen Volumen und Gewicht. Die Kleinbildobjektive sind für APS-C unnötig teurer und qualitativ nicht für einen kleineren Sensor optimiert. Dennoch kann APS-C sinnvoll sein: Der Sensor ist größer als bei Micro Four Thirds und sollte bei hohen ISO-Zahlen weniger rauschen sowie aufgrund geringerer Schärfentiefe Motive besser freistellen. Vielleicht ist die bessere Sensorqualität erforderlich. Hat die Kamera das gleiche Bajonett wie das Vollformat der gleichen Kameramarke und ich benutze einige Kleinbildobjektive, ist ein zukünftiger Umstieg kostengünstiger.
- Wer über ausreichend Geld verfügt, kann sich mehrere Systeme und Sensorgrößen innerhalb des gleichen Systems zulegen und je nach Motiv das Geeignetste benutzen.
- Welche Sensorgrößen für welche Aufgaben (noch) geeignet sind, können wohl am besten erfahrene Fotografen beantworten, die mit mehreren Systemen über lange Zeit gearbeitet haben und das gleiche Ziel verfolgen (Hobby, Beruf und Qualitätsanforderungen für den Verkauf der Bilder).
Weitere Informationen zur Sensorgröße stehen im Artikel "Sensorgrößen".
Spiegelreflexkameras
Der Autofokus besserer Spiegelreflexkameras war früher in der Regel schneller als jener der meisten spiegellosen Systemkameras, was aktuell für gute spiegellose Kameras nicht mehr gilt. Sogenannte preisgünstige "Einsteiger"-Spiegelreflexkameras haben in der Regel keinen schnellen Autofokus. Einen Vorteil haben die Spiegelreflexkameras noch: Das Bild stimmt zeitlich mit der Motivbewegung überein, es gibt im optischen Sucher keine Verzögerung. Ob das relevant ist, mögen Fotografen schneller Motive entscheiden. In der Regel wird man bei bestimmten Motiven ohnehin schnelle Serienbilder fotografieren. Wenn man einen wichtigen flüchtigen Moment im Sucher sieht, ist es meist schon zu spät, denn bis das Gehirn dem Finger befiehlt, den Auslöser zu betätigen und die Kamera dann den Verschluss öffnet, vergeht bei schnellen Motiven zu viel Zeit. Beim "Nachziehen" eines bewegten Motivs – das Motiv soll immer an der gleichen Bildstelle sein, während es sich mit wechselnder Geschwindigkeit und Richtung fortbewegt – könnte die Anzeigeverzögerung immer noch eine Rolle zugunsten der Spiegelreflexkamera spielen.
Ein Akku mit gleicher Kapazität hält in Spiegelreflexkamers länger, da nicht ständig ein LC-Display oder optischer Sucher Strom verbrauchen. Dies lässt sich durch die Benutzung mehrerer Akkus kompensieren. Sollte das Nachladen der Akkus schwierig sein, beispielsweise bei längerem Aufenthalt in Gegenden ohne Strom, könnte der Vorteil des geringeren Akkuverbrauchs eine Rolle spielen.
Inzwischen gibt es spiegellose Kameras mit sehr schnellem Autofokus. Langsam werden Spiegelreflexkameras Nischenprodukte, die wichtigsten Hersteller wie Canon und Nikon konzentrieren sich auf spiegellose Kameras.
Spiegellose Systemkameras
Ich halte eine spiegellose Systemkamera mit einem gutem optischen Sucher für die beste Wahl. Einige Vorzüge, die nicht in jedem Modell realisiert sein müssen:
- Bildgestaltung über ein schwenkbares LC-Display ist der Standard-Betriebsmodus
- Ergebnis der Belichtung ist vor dem Auslösen zu sehen
- Leiser bis geräuschlos, da kein Spiegel hochklappt, weniger Vibrationen auf einem Stativ, keine Verdunkelung des Bilds während der Spiegel hochgeklappt ist, kein Lichteinfall ins Bild durch das Okular (Langzeitbelichtungen tagsüber)
- Autofokus-Messpunkte können über das gesamte Bild verteilt sein, während bei einer Spiegelreflexkamera diese sich nur um die Bildmitte herum konzentrieren
- Autofokusabweichungen gibt es nicht, da die Schärfe in der Bildebene gemessen wird und nicht über ein anderes System
- Durch Autofokus in der Bildebene ist mehr "Logik" möglich, da die Kamerasoftware die Bedeutung der Bildelemente mehr oder weniger gut herausfinden kann, beispielsweise automatischer Autofokus auf die Augen bei Porträtfotos.
- Mehr Auslösungen pro Sekunde realisierbar, da das Hoch- und Zurückklappen des Spiegels entfällt.
Objektive, Zubehör
Egal wie gut eine Kamera ist: Gibt es nicht die Objektivbrennweite, die ich benötige (Superweitwinkel, Supertele) oder Bauart (Makroobjektiv, Fisheye) oder das Zubehör (Systemblitzgerät, Kabelauslöser), nutzt sie mir wenig.
Testen
Weiß ich, welches System ich will und habe die Auswahl auf zwei bis drei Kameras eingeschränkt, sollte ich zu einen Händler gehen, bei dem ich sie kaufen werde und ausprobieren. Mir muss die Kamera gut in der Hand liegen und die Bedienung zusagen.
Fazit
Für Landschaftsfotografen ist möglicherweise ein robustes, regenfestes Gehäuse wichtig, für den Sportfotografen ein sehr schneller und treffsicherer vorausberechnender (prädiktiver) Autofokus, für den Produktfotografen ein System, für das es bestimmte Shift-Objektive gibt usw. Der Bergsteiger hat andere Anforderungen als jemand, der mit dem Fahrzeug durch die Landschaft fährt, ein Fußballspiel ist anders zu fotografieren als ein Basketball- oder Golfspiel. Es lässt sich keine generelle Empfehlung geben.
Ein einziges System für alle Motive zu empfehlen, ist unseriös. Einige Fotografen haben mehr als ein System sowie verschiedene Kameras innerhalb des gleichen Systems und wählen je nach Aufgabe eine bestimmte Kamera aus. Ich kann zwar beinahe alles mit einer x-beliebigen Kamera fotografieren, werde dann aber systembedingt nicht die gleichen Resultate erzielen können oder Bilder "verpassen" – kurz, es bereitet mir weniger Spaß und ich bin häufiger unzufrieden mit den Ergebnissen.
Außer die Motive verlangen es, gibt es keinen zwingenden Grund, nur ein System zu benutzen, sofern ich mir das leisten kann oder will.
, 09.02.2014.
Letzte Bearbeitung: 08.08.2022.